Kapitel 17

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„Es sind schwarze Dinger. Formlos. Der Kommandant sagte, sie bestünden aus Blut und sein anfällig für Feuer.“
Das erklärte, weshalb die Vorräte an Pech ausgeräumt und verteilt wurden, dachte sich der Priester.
„Sie tauchten mit einem Mal aus den Gassen auf und verfolgten uns dann. Irgendwann ließen sie von uns ab, aber wie weit sie hinter uns liegen, wissen wir nicht. Dieser Ort ist verflucht. Ich entschuldige mich höflichst, aber ich werde gebraucht“, sagte der Ritter hektisch, während er nur halb in die Richtung des Priesters sah.
Um sie herum rannten nun keine Soldaten mehr. Alle waren auf ihren Positionen und der Gesalbte schloss sich seinen Kammeraden an. 
„Dieser Ort ist verflucht.“


Jene Worte brachten den Namenlosen zum Nachdenken.
Warum hatte man ihn nur entsendet? Es gab zahlreiche Priester ersten Ranges. Von all den Frauen und Männern, mit gleichen Ansichten, denselben Roben und derselben Position. Warum er?
Da kam ihm der Gedanke. Womöglich war dies das Problem. Es gab zu viele von ihnen. Die Positionen waren schließlich begrenzt. Niemand wollte ihm spezifisch mit dieser ach so heiligen Mission schaden.


Es ging darum, ihn loszuwerden, damit seine Stelle frei wurde. Er konnte ja schlecht dazu überredet werden auszutreten, bei all den Privilegien. Und Mord ... Nein, zu solchen Mitteln würden sie nicht greifen. Die Kleriker waren da subtiler.
Irgend ein Priester zweiten oder gar dritten Ranges, hatte einen anderen Jünger befördern wollen. So musste es sein. Warum auch würden Männer wie diese – der Priester sah sich mit Abscheu die versammelten Soldaten an – einen religiösen Führer benötigen?
Der Himmel war mittlerweile schwarz geworden. Nur eine feine Line aus rotem Licht, war noch hier und da zwischen den steinernen Bauten zu erkennen. Der Namenlose starrte nach oben. Es war schon wieder eine sternenleere Nacht. Der Mond leuchtete, nur zu drei Vierteln, hinter einer Wolke hindurch.


Außer dem Geschwätz der Soldaten war es lautlos geworden. Der Wind verhielt sich still.
„Dieser Ort ist verflucht.“
Erneut dachte der Priester an die Worte des Ritters. In Zusammenhang mit der Beschreibung der Kreatur, welche der Mann zu sehen behauptet hatte, kam eine Erinnerung in dem Kleriker hoch.
Ocuri. Man nannte sie Ocuri. Blutdämonen, oder auch Schattenbestien. Diese Wesen sollten aus den düsteren Seelen der Lebenden entstehen und deren Blut als Basis für ihre Hüllen in der Welt der Sterblichen verwenden.
An Orten, an denen viel Blut vergossen worden war und die Toten mit Hass und Angst in ihren Herzen dahinschieden, würden sie erscheinen.


Angstschweiß tränkte das Innere der Robe, des Namenlosen. Der Priester ging auf eines der Lagerfeuer zu, welche nur schwach loderten und zog einen seiner Ärmel zurück. Er betrachtete die Adern, welche für gewöhnlich blau-grünlich durch seine Haut schimmerten. Sie waren ungewöhnlich dunkel. Eines der Anzeichen war erfüllt.
Schlagartig wurde ihm eiskalt. Er trat näher an die Flamme heran, so nah, dass er beinahe seine Robe in Brand setzte. Es half nichts.
Schwarzes Blut, strömte durch seinen Körper. Das erklärte die unruhige Nacht, am Vortag. Erst war er davon ausgegangen, dass es am Frostmond gelegen hatte.


Er fühlte sich enteignet. Seiner Position, seinen Vorteilen und seinem Besitz. Die Diener, welche ihn begleiteten, waren plötzlich überflüssig. Nun konnte ihn niemand mehr retten. Er war verloren. Der Moment, in dem ihm dies klar wurde, sollte einer seiner Letzten sein.


Es war nie eingeplant gewesen, dass er von dieser Reise zurückkehren sollte. Ob es nun die üblen Wetterbedingungen, der Auf- und Abstieg im Gebirge oder gar eine feindliche Macht war, irgendjemand mit mehr Einfluss als er, hatte seinen Tod beschlossen.
In einem Kloster war sein Name aus einer langen Liste, mit einer stilvollen Feder gestrichen worden und neben der vor wenigen Monaten getrockneten Tinte, wurde ein neuer notiert. Dann gab es ihn nicht mehr. Er hatte ausgedient.
„Priester, was ist mit euch?“, erkundigte sich eine Frau.
Sie war die treuste seiner Diener und ermahnte stets die anderen, deren Pflichten nachzukommen.


„So antwortet doch!“


Der Namenlose antwortete nicht. Stattdessen kniete er sich hin. Seine Kutte, mitsamt den Beinen im Schnee versinkend, sah er zum Himmel auf. Womöglich war dies alles eine Prüfung des Allsehenden. Er testete seinen Geist.
Der Mond war wunderschön. Majestätisch glitt er über den Abendhimmel. So langsam, dass kein menschliches Auge seine Bewegung wahrnahm. Der Priester war sich sicher: Sein Gott wachte über ihn. Er fühlte sich befreit. Für einen Augenblick nicht mehr eingesperrt, zwischen den hohen Mauern. Etwas Kaltes küsste sein Gesicht. Es waren Schneeflocken.


Gefrorene Tränen des Allsehenden. Sie versprachen Hoffnung, bildete sich der Priester ein. Er betrachtete sich selbst von außen, sah, wie der Schnee auf seine Robe fiel. Sanfte Berührungen des Himmels.
Nein, er würde hier nicht sterben. Sein Geist konnte nicht aufgeben. Egal welches Übel sich ihm in den Weg stellen würde, er war ein Priester ersten Ranges! Sein Wort zählte, seine Gebete wurden erhört. Er war ein Fürsprecher des Erschaffers dieser Welt. Ein getreuer Diener, welcher sich der Finsternis stellte.


„Lasst uns diesen Ort weihen“, sprach er und erhob sich wieder. Der Namenlose fühlte sich wie neu geboren. War dies die Erleuchtung, von der man sprach? Die wahre Sicht?


Seine Diener nickten ihm zu und huschten zurück ins Zelt. Sie holten ihm das heilige Wasser. Die sogenannten Tränen.
Mit mehreren metallenen Behältnissen in den Händen kamen sie wieder. Zur Enttäuschung des Priesters war das Wasser in diesen gefroren. Er war kurz davor, einen der Mönche dafür verantwortlich zu machen, hielt sich aber im Zaum.


„Erhitzt sie im Feuer“, ordnete er an.

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